Beidseitiges Einverständnis – Consent

Das Human Awareness Institute (Institut für menschliche Bewusstheit – HAI) hat die Vision einer Welt, in der die Entscheidungen eines jeden Menschen klar ausgesprochen, angehört und respektiert werden.

HAI setzt sich dafür ein, eine Umgebung zu schaffen, in der Workshop-Teilnehmer*innen sich sicher und sich darin unterstützt fühlen, ihre Beziehungen zu Liebe, Intimität und Sexualität zu erforschen, Verantwortung für ihre eigenen Wünsche und Entscheidungen zu übernehmen und aus ihren Erfahrungen zu lernen.

In diesem Sinne setzt sich HAI aktiv für „Beidseitiges Einverständnis / Consent“ ein. Wir streben danach, Sicherheit in unserer Gemeinschaft zu erschaffen, indem wir die Grenzen eines jeden Menschen zu jeder Zeit achten.

HAI ermutigt und befähigt Individuen darin, ihre eigene Stimme zu finden, um in jedem Augenblick mitteilen zu können, wo ihre Grenzen gerade liegen.

Einverständnis ist eine beidseitige/allseitige und freiwillige Vereinbarung zwischen all denen, die im Begriff sind, an einer gemeinsamen Aktivität teilzunehmen. Beidseitiges Einverständnis gilt für jede Art von Interaktion, ganz besonders für solche, die körperliche Berührung(en) miteinschließen können.

Richtlinien zur Schaffung eines sicheren Raums für nährende Begegnungen:

Frage, bevor du handelst

  • Hole dir allseitiges Einverständnis ein, bevor du handelst – sei es für eine Unterhaltung, für sinnliche Berührung oder für alles Weitere, das andere Menschen mit einbezieht.

  • Beteilige dich voll Neugier.

  • Gehe in jede Begegnung mit der Absicht hinein, zu entdecken – nicht, zu überreden oder zu überzeugen.

  • Sprich Einladungen aus – keine Forderungen.

Höre auf das KLARE JA

  • Ja heißt Ja. Nein heißt Nein. Unsicherheit, „Ich weiß nicht“, oder „vielleicht“ bedeuten ebenfalls Nein.

  • Stille oder fehlender Widerstand bedeuten kein Einverständnis. „Ich habe keine Grenzen“ deutet darauf hin, dass vor einer weiteren Kontaktaufnahme ein tieferes Gespräch dringend erforderlich ist. Jeder Mensch hat Grenzen, auch wenn er/sie diese vielleicht noch nicht für sich genau bestimmt hat.

  • Halte kurz ein und höre auf deine innere Stimme, bevor du wählst, an einer Aktivität teilzunehmen.

Feiere das NEIN

  • Eine Grenze zu wahren, kann für einige Menschen schwierig sein. Feiere bitte Jede und Jeden, die/der den Mut hat, sich selbst auf diese Weise zu respektieren.

  • Schätze das Geschenk, das dir dein/e Partner*in mit ihrer/seiner Wahrheit macht höher ein, als das zu bekommen, was du willst.

  • Gefühle der Erregung können das Urteilungsvermögen beeinträchtigen.

  • Wir raten dringend davon ab, deine Grenzen zu erweitern, während du (sexuell) erregt bist.

  • Beidseitiges Einverständnis ist zeitlich begrenzt und genau bestimmt.

  • Einverständnis kann jederzeit widerrufen werden, mit Worten oder ohne, sogar nach Beginn einer Aktivität.

  • Die Zustimmung zu einer Aktivität verpflichtet eine Person nicht dazu, an irgendeiner anderen Aktivität teilzunehmen.

  • Einverständnis muss mit jeder beteiligten Person verhandelt werden. Wenn du siehst, dass andere etwas tun, geh nicht davon aus, dass du dich ihnen anschließen darfst, oder dass sie wollen, dass du an ihrer Aktivität teilnimmst.

  • Ein Einverständnis, welches einmal für eine Interaktion vereinbart wurde, gilt darüber hinaus nicht automatisch auch für zukünftige Interaktionen.

Unterstütze Andere in ihrem Einverständnis

  • Fühl in dich hinein und stelle fest, ob du Absichten hast, die du über die Bedürfnisse, Wünsche und das Verlangen deiner Partnerin /deines Partners stellst.

  • Hilf deiner/deinem Partner*in, in ihrem/seinem klaren Ja zu bleiben. Regelmäßige „Check-ins“ zwischen euch werden empfohlen (d. h. ein kurzer Austausch, wie es euch gerade im Augenblick geht).

  • Wenn du das Gefühl hast, dass dein/e Partner*in sich unwohl fühlt, stopp. Macht ein „Check-in“ und verhandelt euer Einverständnis neu, wenn dies möglich ist.

  • Wenn du eine andere Interaktion bemerkst, die sich irgendwie nicht richtig anfühlt, kläre dieses Gefühl mit einer der oder beiden beteiligten Parteien ab.

  • Sei dir deiner möglichen Privilegien bewusst, die ein Machtungleichgewicht zwischen euch herstellen könnten. Diese können zum Beispiel sein: Ethnie, (soziales) Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter, Religion, Gesellschaftsschicht, Fähigkeiten, Bildungsstand, keine TraumaErfahrungen und vieles andere mehr.

  • Nicht jeder Mensch hat denselben Zugang zu Ressourcen und Bildung, oder dieselbe soziale Konditionierung und denselben sozialen Status.

  • Manche Menschen haben persönliche TraumaErfahrungen gemacht, die ihre Fähigkeit, eigene Bedürfnisse auszudrücken, deutlich einschränken können, ganz besonders während körperlicher Begegnungen.

Beende jede Begegnung mit einem „Check-in“

  • Nach jeder Begegnung fühle zunächst in dich selbst hinein, dann tausche dich mit deiner/deinem Partner*in über eure Gefühle und Erfahrungen aus.

  • Sprecht über jede Grenze, an die ihr euch angenähert habt, die erreicht oder die überschritten wurde.

  • Fehler passieren – lasst uns daraus lernen und eventuellen Ärger und Missverständnisse (auf)klären.

  • Trotz bester Absichten kann es passieren, dass Grenzen überschritten werden, oftmals aus Versehen.

  • Fehlerhafte Interpretationen des vereinbarten Einverständnisses können manchmal auch einen Übergriff darstellen.

  • Auch äußerst gewissenhaften Menschen, die sehr darauf achten die Grenzen Anderer zu respektieren, kann es im Laufe ihrer Interaktionen passieren, dass eigene Grenzen erreicht oder überschritten werden.

  • Unfälle und Missverständnisse sind normal und zu erwarten, und können oftmals eine gute Gelegenheit bieten, zuzuhören und zu lernen, ohne dass zwangsläufig ein Trauma daraus entsteht.

  • Offene Kommunikation, die Übernahme von Verantwortung sowie die Klärung negativer Gefühle durch klare Kommunikation sind Bausteine für Lernen und Wachstum.

Etwas fühlt sich nicht gut an? Wir sind zu deiner Unterstützung hier

  • Wir wollen dich unterstützen, wenn du das Gefühl hast, dass sich jemand dir gegenüber in irgendeiner Art und Weise übergriffig verhalten hat.

  • Wir wollen dich ermutigen, dich während HAIEvents oder Workshops sofort oder wann immer du willst, an jedes Teammitglied oder jede/n Workshopleiter*in zu wenden.

  • Sollte dir zu einem früheren Zeitpunkt etwas widerfahren sein, mit dem du Hilfe/Unterstützung benötigst, bitte wende dich an die verantwortliche Organisatorin von HAI-Deutschland/Europa, Mikki Kitz (www.liebe-workshop.de/kontakt/) oder an eine/n Workshopleiter*in.

Dies ist ein lebendiges Dokument, das sich weiterentwickelt, während wir lernen und wachsen. Unsere große Hoffnung ist es, dass du diese Ideen weit über HAI hinaustragen wirst, in jede Begegnung, die du mit einem anderen Menschen haben wirst.